Szenario 2

Was man Aus einer Harmonischen Sequenz machen kann.

Das Material

​Das folgende Beispiel ist etwas anspruchsvoller. 8 Takte Musik für Solovioline und Klavier: Die Violinstimme hat einen Umfang von knapp 2 ½ Oktaven und ist rhythmisch differenzierter als die eher gleichförmig fortschreitende Klavierbegleitung.

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​Musikalisch handelt es sich bei den 8 Takten um eine „reale Sequenz“, d.h. um eine strenge Harmoniefolge, bei der das Akkordmodell immer um die gleiche Intervallgröße (hier ein Ganzton nach unten) voranschreitet:

​Dm (9-8-maj7-6) | Cm (9-8-maj7-6) | Bbm (9-8-maj7-6) | Abm (9-8-maj7-6)

​Solche strengen Modelle sind seit der Romantik in Gebrauch. Auch heutige Filmkomponisten wie der Brite Collin Towns verwenden sie gerne. (siehe Beginn des YouTube Videos)

​zum Vergrößern klicken.

SibeliusSounds

NotePerformer

​Um einen ersten Eindruck von der Musik zu gewinnen, wurde sie ohne jegliche weitere Nachbearbeitung mit etwas Hall zum Klingen gebracht (Rendering) - einmal mit SibeliusSounds und einmal mit NotePerformer. 

Der nächste Schritt ist die musikalische Ausarbeitung der Violinstimme Takt für Takt - ähnlich der Einstudierung und musikalischen Ausarbeitung einer Instrumentalstimme. Dadurch wird den Instrumentalisten die musikalische Idee des Komponisten oder Arrangeurs vermittelt, was für die praktische Umsetzung sehr wünschenswert ist und viel Zeit spart.  
Für Studioproduktionen, bei denen Software-Instrumente und ggf. auch Live-Instrumente eingesetzt werden, reicht dies natürlich nicht aus. Hier empfiehlt sich die Arbeit mit einer DAW.

Die musikalische Ausarbeitung

Der Klaviersatz wird diesmal etwas vernachlässigt; die Lautstärke für die linke und rechte Hand ist „piano“, nur die absteigende Melodielinie in der rechten Hand wurde im Notensatzprogramm eine Stufe lauter auf „mp“ gesetzt. In Szenario 2 liegt der Schwerpunkt auf der Violinstimme. Interpretatorisch gäbe es nun viele Möglichkeiten, die 8 Takte zu gestalten. Und die Praxis zeigt, dass der Interpret, auch wenn die Partitur viele Angaben zu Dynamik, Phrasierung oder Artikulation enthält, „immer“ etwas Persönliches verwenden wird. 

Hier ein möglicher Plan:

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  • Der erste Ton der Violine kommt aus dem Nichts und endet mit einem „mezzo forte“ im 2. Takt auf der Triole, möglichst mit zunehmendem Vibrato.
  • Die Triole wird „portato“ gespielt, „getragen“ ohne Druck.
  • Die Quintole „springt“ leicht vom Ton „g“ nach unten in die Oktave „g“ und wird leiser.
  • Der 4. Takt hat den Charakter einer Begleitung: Der erste Ton wird mit einem Praller verziert, die Achtelnoten werden leichter gespielt, nur das erste Achtel der Triole darf etwas länger klingen.
  • Der 5. Takt soll „strahlen“: mit einem kleinen Crescendo auf dem längsten Ton und mit einem intensiver werdenden Vibrato.
  • Am Anfang des vorletzten Taktes werden die Viertelnoten „schwer-leicht“ gespielt und die folgende Triole landet mit einem kleinen Crescendo „aus der sonoren Tiefe“ der leeren G-Saite auf dem „g“ eine Oktave höher im letzten Takt.
  • Die kleine Halbton-Ganzton-Sequenz wird akustisch in zwei Gruppen geteilt, die am Ende leiser gespielt werden.​

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Welches der beiden Audiosamples wird live gespielt?

Audio 1

Audio 2

Welche Sounds eignen sich?

​Komponisten und Arrangeure haben meist ihre bevorzugte Notationssoftware und die dazu passenden Sounds gefunden und in der Regel wenig Zeit, sich mit anderen Systemen zu beschäftigen: „Never change a running system“.

Wer jedoch statt der Onboard-Sounds einer Notationssoftware Sounds von Drittanbietern verwendet, kennt den Aufwand, der mit der Steuerung von Controllern und Keyswitches verbunden ist.

Avid, MakeMusic, Presonus oder Steinberg bieten dem Anwender zwar verschiedene Schnittstellen (z.B. VST, AU) für die Arbeit mit Plugins an, kümmern sich aber in der Regel nicht um die weitere Kommunikation mit den Plugin-Instrumenten.

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Die Hersteller von DAWs haben in den letzten Jahren die Kommunikation mit Drittanbieter-Plugins immer weiter vereinfacht, so dass die manuelle Konfiguration von Keyswitches inzwischen recht schnell geht. Babylonwaves stellt z.B. mit dem „Art Conductor“ für führende DAWs über 10.000 Presets für alle wichtigen Sample-Libraries zur Verfügung.

Auch im Bereich der Notationssoftware hat sich einiges getan. Integrierte Programmelemente oder zusätzliche Plug-ins ermöglichen es mittlerweile, ähnlich wie bei DAWs, verschiedene Parameter grafisch zu bearbeiten. Die Vienna Symphonic Library bietet z.B. Anwendern der Notationssoftware Dorico, Finale und Sibelius entsprechende „Expression Maps“ oder „Human Playback“ bzw. „Soundsets“ an, mit denen im Programm notierte musikalische Symbole automatisch Artikulations- oder Controllerwechsel ausführen.

Wie wird das Beispiel hier ausgeführt?
Notationssoftware: Sibelius Ultimate
Violine: Synchronized Solo Violin (von VSL)
Piano: Vienna Imperial (von VSL)

​Dynamik: Sibelius Expression Text (z.B. p, mf, ff) und Crescendo/Decrescendo-Linien
Artikulation/Phrasierung: Sibelius Symbole tenuto, staccato, legato
Spielweise/Technik: Sibelius Technique Text (z.B. détaché, portato) 

​Für die Wiedergabe bzw. den Audio-Export der Partitur wurden das „VSL Style Sheet“ und die jeweiligen Sound-Sets für beide Instrumente geladen.

Vienna Symphonic Library

Zusammenfassung

​Das Beispiel zeigt, wie man mit relativ wenig Aufwand eine Partitur zum Klingen bringen kann, wenn Notationssoftware und Plugins aufeinander abgestimmt sind. Wer häufig mit dieser Methode arbeitet, macht sich von Anfang an Gedanken über die musikalische Gestaltung und notiert „intuitiv“ die von der Software vorgesehenen Dynamik-, Artikulations- oder Technikhinweise. 
Der Vorteil dieser Methode: das Notenmaterial ist bereits fertig für die praktische Umsetzung auf akustischen Instrumenten – Mockup und Spielmaterial in einem Schritt.
Das Resultat ist noch nicht perfekt und kann nicht mit einer aufwendigen Produktion in einer DAW verglichen werden. Mit den Bordmitteln der Notationssoftware oder zusätzlichen Plugins können die Ergebnisse klanglich optimiert werden.

​Auch ohne gemeinsame Standards ist die Zusammenarbeit zwischen Notationssoftware und Sound-Plugins benutzerfreundlicher geworden.

​Dabei verfolgen die führenden Hersteller unterschiedliche Strategien: Presonus setzt z.B. auf die Kommunikation zwischen der eigenen Notationssoftware Notion und der DAW Studio One, Steinberg bietet DAW-Features innerhalb von Dorico, für Sibelius entwickelte Notation Central Plugins, die die grafische Bearbeitung von MIDI-Controllern ermöglichen. 
Bei YouTube gibt es einige Tutorials, die das Zusammenspiel von VST/AU-Plugins und Notationssoftware erklären.

​zum Szenario #3