Was man aus einer Tonleiter für Klavier machen kann.
Die kleine Komposition klingt bereits mit den “Bordmitteln“ von Sibelius
schon ganz nett. Dazu tragen vor allem der gehaltene Streicherklang
(Orgelpunkt) und der Hall des Konzertsaals bei. Trotzdem sieht der Notentext noch etwas "dünn" aus. Interpreten würden sich spontan Gedanken darüber machen, wie diese Musik interpretiert werden könnte.
Je nach persönlichem Geschmack können einzelne Parameter
(Lautstärke, Betonung, Notenlänge, Startposition einer Note, Artikulation usw.)
verändert werden.
TIPP: Füge der Komposition einige
leere Takte hinzu (oder öffne ein neues Dokument mit demselben Setup) und nimm
Ausschnitte der Klavierstimme mit oder ohne Metronomklick in verschiedenen
Charakteren auf. Es empfiehlt sich, vor der Aufnahme ein wenig zu
experimentieren.
Probiert doch mal folgendes aus:
Wie klingt der Klaviersatz, wenn die linke Hand einen Bruchteil zu
früh oder zu spät anschlägt?
Wie klingt der Klaviersatz, wenn die linke Hand etwas lauter ist als die
rechte?
Wie klingt der Klaviersatz, wenn man ein Haltepedal benutzt?
Vergleicht dies mit dem Ergebnis, das ihr bekommt, wenn man die
Töne mit der Maus oder Tastatur eingibt. Am besten hört man es, wenn der Hall
komplett abgestellt ist.
zum Vergrößern klicken.
mit Hall
ohne Hall
Bereits kleine Varianten beim Einspielen von Musik mit einem
MIDI-Keyboard wirken sich auf den Charakter der Musik aus. Bevor
man sich Gedanken über Keyswitches (Auswahl von Sounds) und Automation von
Controllern macht, sollte der „reine Notentext“ optimiert sein, egal ob man die
Tonhöhen mit Maus oder Tastatur eingibt oder sie mit Klick einspielt. Später
müssen eventuell noch Korrekturen vorgenommen werden, da es klangliche
Kollisionen mit anderen Instrumenten geben kann.
Interessant ist auch, welche Wirkung ein ausgehaltener Klang im
Hintergrund haben kann. Nicht umsonst ist dieses Phänomen auch in der Filmmusik so
beliebt – erfunden wurde es allerdings schon viel früher in der Musikgeschichte.
Wer Musik für Orchesterinstrumente schreibt, sollte sich auf jeden Fall
symphonische Musik ab dem 19. Jahrhundert
anhören und wenn möglich einen Blick in Partituren aus dieser Zeit werfen.
Wir sind immer noch bei den „Werksounds“ einer Notationssoftware. Die Box mit den Klängen anderer Hersteller bleibt noch geschlossen. Der optimierte Klavierklang von eben wird für den nächsten Schritt übernommen: Jetzt geht es um den gehaltenen Streicherklang.
Bei der Klavierstimme gab es noch nicht so viele Fragen – im Audiobeispiel klingt ein Instrument mit einem Spieler. Etwas anders verhält es sich bei dem Streicherton.
Aus den Sibelius-Werksounds kann man eine bestimmte Sektion der
Streichergruppe auswählen, z.B. die ersten Violinen, wie im Hörbeispiel. Es ist
nicht bekannt, wie viele Spieler an den Samples beteiligt sind. Dass es sich
bei der Gruppe „Violine 1“ um mehrere Spieler handelt, kann man jedoch
Durchhören unterschiedlicher Artikulationen erkennen. Das folgende Video
demonstriert dies mit einfachen Mitteln.
Im nächsten Schritt soll gezeigt werden, wie aus dem Halteton eine Streicherfläche instrumentiert werden kann, die auch live problemlos gespielt werden könnte. Dazu werden die bisher strengen Regeln etwas gelockert:
Die Artikulationen im Video haben sehr unterschiedlichen Charakter. Für das Streicher-Pad soll nun aus der Vielfalt der Möglichkeiten „eine“ Auswahl getroffen werden:
„Die Streicherfläche soll etwas matt klingen, ohne zu sehr vom Klavierpart abzulenken. Die Streicherfläche kann in sich dynamisch werden, ohne dass andere Tonhöhen (außer Oktaven) verwendet werden“.
Variante 1: „non
vibrato“
Variante 2: „sul tasto“
Auf einer (akustischen) Violine ist es ohne weiteres möglich,
mehrere Artikulationen zur gleichen Zeit zu spielen. Da die nun entstehende
Partitur auch für den Live-Einsatz geeignet sein soll, sollte man auf jeden
Fall auf beliebte DAW-Arbeitstechniken verzichten: nämlich ggf. zwei
Artikulationen „übereinanderzulegen“. Instrumentalisten spielen dies problemlos
in einem Zug – lediglich mit einem Hinweis in den Noten: „sul tasto, non
vibrato“. Ein Herumbasteln an Softwareinstrumenten führt nicht immer zum
Erfolg.
Von
den in der Notationssoftware Sibelius verfügbaren Sounds ist vielleicht „sul
tasto“ am besten geeignet, da es sich um ein Sample "ohne vibrato" handelt.
Kurze Informationen zu Spieltechnik und Klangcharakter von "sul tasto" gibt es bei der Vienna Symphonic Library.
Streicherbesetzungen variieren je nach gespielter Literatur:
5-3-2-2-1 z.B. für kleines Streicherensemble
8-6-4-3-2 z.B. für eine klassische Streicherbesetzung
16-14-12-10-8 für eine (spät-) romantische Streicherbesetzung
Auch die Sitzposition der einzelnen Stimmen kann variieren - so
können 1. und 2. Violinen nebeneinander oder einander gegenüber sitzen. Beim Livespiel hat dies Auswirkungen auf das Zusammenspiel, bei Strudioproduktionen auf das Klangbild.
Je nach Komposition sollte man sich eine Strategie für die
Instrumentation ausdenken,
Aktuelle Notationsprogramme mit eigener Soundbibliothek bieten in
der Regel die hier beschriebenen Anpassungsmöglichkeiten. Bevor im nächsten
Szenario auf externe Klänge eingegangen wird, noch ein Wort zum Vergleich der
Soundbibliotheken.
Auf YouTube finden sich Beiträge, in denen Notationsprogramme
Notentexte mit Hilfe verschiedener Klangbibliotheken „rendern“. Die Ergebnisse
werden dann verglichen.
Ein Vergleich aus der Praxis: Wer schon einmal Instrumente beim
Händler oder Instrumentenbauer ausprobiert hat, weiß, dass diese naturgemäß
unterschiedlich klingen und sich auch unterschiedlich anfühlen (!). Man braucht
Zeit, um sich auf das Instrument einzustellen.
Übertragen auf den Soundvergleich im Internet heißt das: Das bloße Rendern eines Musikstücks holt noch nicht das Optimum aus einer Soundbibliothek heraus. Oft hört man von Produzenten die Aussage, dass man im Prinzip jede einzelne Note einer Komposition „anfassen“ und „anpassen“ müsse. Dies gilt sowohl für die Arbeit mit einer DAW als auch mit einem Notationsprogramm.