Szenario 7

Improvisiertes Material wird zu einem Trailer

Das Material

Eine alltägliche Situation: Beim Experimentieren am Keyboard entstehen immer wieder kleinere Einfälle, die man später wiederverwenden könnte. Möglicherweise für einen neuen Trailer. Nachdem eine Auswahl getroffen wurde und die Ideen in eine gemeinsame Tonart gebracht wurden, müssen sie Schritt für Schritt musikalisch ausgearbeitet und zu einem sinnvollen Ganzen zusammengefügt werden. Hier wird "ein" möglicher Weg gezeigt.

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Die Aufgabenstellung lautet: Aus den kurzen Ideen entsteht ein erster Klaviersatz. Aus dem Klaviersatz soll anschließend ein Orchestersatz werden. Dieser kann durchaus puristisch sein, d.h. Instrumente werden nur aus klanglichen Gründen eingesetzt; es geht nicht darum, alle Instrumente zu „beschäftigen“. Los geht's.

Drei kurze 'Ideen'

'Idee eins' Material: parallele Quinten; Pendel zwischen Harmonien  

'Idee zwei‘ Material: 3+3+2 Achtel mit quintlastigen Akkorden

'Idee drei‘ Material: Pendel zwischen zwei Harmonien, mit Wechseltakt 4/4 – 3/4  

... und so klingen die drei Ideen

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Gestaltung der ‘Idee eins’

So könnte man vielleicht vorgehen:
Die ‚Idee eins‘ hat genügend rhythmische und harmonische Energie, dass man sie auf jeden Fall noch einmal wiederholen sollte. Wortwörtliche Wiederholung ‚kann‘ gut klingen, eine leichte Variante des Materials könnte aber wesentlich reizvoller sein.  

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Der letzte Takt von ‚Idee eins‘ wird durch die absteigenden Akkorde in der rechten Hand rhythmisch und harmonisch aufgefüllt. Die Akkorde sind bewusst so gebaut: sie bestehen aus Tönen, die sich zu Quinten ergänzen (a-d-e ist in Quinten angeordnet d-a-e; d-g-a ist in Quinten angeordnet g-d-a). Bei der Wiederholung von Takt 1 hat die rechte Hand jetzt etwas mehr Power. Die folgenden zwei Takte bekommen durch die oktavierte obere Stimme 3 Oktaven höher eine neue Färbung. Und mit Hilfe von Dynamik und Artikulation wird das Ganze noch lebendiger.

Gestaltung der ‘Idee zwei’

So könnte man vorgehen:
Die ‚Idee zwei‘ könnte originalgetreu übernommen werden. Eventuell lohnt es sich, die Artikulation etwas zu verfeinern. Und für den Trailer könnte man sie ein weiteres Mal wiederholen, wobei die Dynamik beim 2. Mal eine Stufe lauter ist.

Gestaltung der ‘Idee drei’

So könnte man vorgehen: 
'Idee drei'
 könnte man mehr Raum geben als dem bisherigen Material, indem man die zwei Takte der Vorlage zu einer klassischen 8-taktigen Periode erweitert. Damit es nicht zu eintönig wird, könnte man die Melodiestimme leicht variieren. Der ständige Wechsel zwischen 4/4- und 3/4-Takt hat dabei einen besonderen Reiz. Danach könnte man z.B. die 8-Takt-Periode harmonisch verschieben: z.B. einen Ganzton tiefer von d-Moll nach c-Moll. Irgendwie muss man zum Schluss kommen: z.B. durch Ausdünnen des Satzes, ein Ritardando und eine unauffällige Rückkehr in die Ausgangstonart. Als Schlussidee eignet sich 'Idee zwei' sehr gut: Beim ersten Mal ab Takt 9 blieb dieser Groove innerhalb einer einzigen Harmonie. Für den Schluss könnte man nun den Groove von 'Idee zwei' zwischen zwei Harmonien hin und her pendeln lassen. Das wirkt einerseits wie eine Rückblende, ist aber keine einfache Wiederholung. Und schon wäre die Skizze fertig...

So klingt das Resultat:

Die Aufgabenstellung lautet nun: Aus dem Klaviersatz soll ein Orchestersatz werden. Dieser kann aber durchaus puristisch sein, d.h. Instrumente werden nur aus klanglichen Gründen eingesetzt. Es geht nicht darum, alle Instrumente zu „beschäftigen“. Weiter geht es.

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Wie wurde der Klaviersatz hier ausgeführt?
Notationssoftware: Sibelius Ultimate
SYNCHRON Pianos - D-274 (von VSL)
Vienna MIR PRO 3D Raumsimulations-Software

Das Orchester-Setup

Es steht ein Standardorchester mit folgender Besetzung zur Verfügung: 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte – 4 Hörner, 2 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba, Pauken, Percussion, Streicher (abgekürzt: 2, 2, 2, 2 – 4, 2, 3, 1, timp, perc, str).

Wie eingangs erwähnt, können die Instrumente hier nach rein klanglichen Gesichtspunkten eingesetzt werden. Einige (klassisch-romantische) Instrumentationslehrbücher raten von dieser Technik ab, da die Komponisten der damaligen Zeit auch nicht so gearbeitet hätten. Gerade in der Filmmusik wird diese eher effektvolle Arbeitsweise aber gerne eingesetzt.

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TIPP: Um bei der Orchestrierung nicht den Überblick zu verlieren, empfiehlt es sich, die bereits ausgearbeitete Klavierstimme zunächst in die Orchesterpartitur zu integrieren. Man kann sie dann am Ende entweder unsichtbar machen oder ganz löschen.

​In diesem Szenario wird nur "eine" von vielen möglichen Lösungen demonstriert, denn je nach Geschmack gibt es verschiedene Möglichkeiten für die Ausarbeitung. 
Man wird aber sehr schnell feststellen, dass es gar nicht so einfach ist, Instrumente zu finden, die dem Charakter der Klavierstimme in diesem schnellen Tempo nahe kommen. ​Außerdem sollte das Ergebnis "live spielbar" sein. Das heißt, es sollte nicht nur auf dem Computer spielbar sein.
​Da hier kein Klavier im Orchester spielen soll, ist es nicht so einfach, den perkussiven Charakter auf andere zu übertragen. Für dieses Szenario wurden auch keine Mallet-Instrumente gewählt, die dies vielleicht am besten hätten leisten können. Also insgesamt: erschwerte Bedingungen.

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​Hier noch einige Tipps zur gewählten Instrumentierung im folgenden Video. Für die tiefen Quinten in Idee 1 eignen sich z.B. tiefe Blechblasinstrumente: sie können die Achtelnoten prägnant im Staccato spielen und haben Reserven für deutliche Crescendi. Für die Wiederholung des Materials wurden Holzbläser gewählt, die hier nach oben oktavieren, um einen "helleren" Charakter als zu Beginn zu erzeugen. Die hier verwendeten Pizzicati in den Bratschen und Celli haben zwar einen perkussiven Charakter, sind aber für ein Crescendo nicht so effektiv (Vorsicht: am Computer klingt das gerne voluminöser als live).

​Tipps für Holzbläser: Man sollte immer daran denken, dass die Instrumente in den verschiedenen Lagen unterschiedliche Charaktere haben. So können z.B. Flöten in der Höhe sehr laut klingen, in der Tiefe aber nicht. Bei Oboen und Fagotten ist es genau umgekehrt. 
Tipps für Streicher: Streichinstrumente können je nach musikalischem Material sehr wirkungsvoll melodisch "führen" - vor allem, wenn sie in Oktaven spielen. Große Sprünge, Staccato- und Legatospiel mit gleichzeitigem Wechsel der Dynamik sind kein Problem. Sie eignen sich auch besonders für Hintergrundflächen (Pads), egal in welcher Lage. Dynamisch wirkungsvoll sind auch Sforzati als Einzeltöne, Akkorde oder in Oktaven. 
Tipps für Percussion: Für das Arrangement wurden Pauken, Große Trommel und Snare ausgewählt - dies kann nach eigenem Geschmack erweitert werden. Hier werden ganz "typische" Tremoli (Rolls) und Akzentschläge demonstriert.

​Wer Informationen zum Thema Orchestrierung sucht, findet im Internet zahlreiche Quellen. Hier ein Link mit nützlichen Hinweisen: www.vsl.co.at/de/academy/

Die Rohfassung der Instrumentation:

Das Video zeigt exemplarisch die Positionen von Idee 1 - 3 in der Partitur. Das enthaltene Audio ist noch nicht bearbeitet.

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Wie wurde der Orchestersatz hier ausgeführt?
Notationssoftware: Sibelius Ultimate, Soundsets: VE SY Special Edition, VE Strings
Studio Woodwinds, Studio Special Edition Brass & Percussion, ​SYNCHRON Strings Pro (von VSL)
Vienna MIR PRO 3D Raumsimulations-Software

Final Tuning:

Die abschließende musikalische Ausarbeitung erfolgt nach den in Szenario 6 vorgestellten Prinzipien:

  • Verfeinerung von Dynamik und Artikulation (je nach Geschmack).
  • Ergänzungen mit Technique- und Expressiontext*.
  • Legatobögen** hinzufügen.
  • Automationskurven*** für MIDI Controller zeichnen.
  • Optimierung von Mikrofonierung**** und Raumklang.

)* je nach gewählter Sound Library
)** je nach Geschmack
)*** je nach Geschmack z.B. mit dem Plugin Graphical MIDI Tools (GMT)
)**** je nach Geschmack: Setup hier: Vienna MIR Pro 3D, Sage Hall One – Mic 1+2 HOA – 3D FLOOR – 5.(1).4

Vergleich:

Raw version audio only
00:00/ 00:10
Fine tuning audio only
00:00/ 00:10

Zusammenfassung

Ein wenig Musik improvisieren, die Fragmente musikalisch sinnvoll zusammenfügen, einen ersten Klaviersatz erstellen, das Material auf ein Orchester übertragen, Dynamik, Artikulation und Phrasierung erarbeiten, MIDI-Automation zur Verfeinerung einsetzen und schließlich den Raumklang für die neue Besetzung optimieren: Das alles klingt zunächst einfach, ist aber in der Realität mit einiger Arbeit verbunden. Aber es lohnt sich, wie der Vergleich am Ende deutlich zeigt.

Ein nächstes Szenario ist geplant.